Endlich gibt es wieder ein Problem bzw. ein Feindbild, gegen das man in Deutschland auf die Straße gehen kann. Zehntausende von Menschen ziehen durch die Städte und das Bundesinnenministerium gibt bekannt, dass sich am vorherigen Wochenende mehr als 900.000 Menschen an Demos gegen rechts beteiligt haben¹.
Die Zeit ist überreif für einen greifbareren Gegner. Angesichts der Ohnmacht gegen den Klimawandel, Streik der Lokführer, Konflikte in Nah-Ost, dem russischen Angriffskrieges, dem allgemeinen globalen Rechtsruck und der bevorstehenden erneuten Wahl von Trump als Präsident der Vereinigten Staaten (die Liste lässt sich quasi endlos Fortsetzen) ist ein lokaler und greifbarer alter Feind wie die Nazis eine willkommene Abwechslung. So können wir endlich der Ohnmacht entfliehen und uns Problemen widmen, bei denen wir vermeintlich etwas bewirken können. Aber können wir das wirklich?
Die Rechten
Prinzipiell ist Vorsicht geboten, wenn man von "den Rechten" spricht. Allzu häufig wird hiermit nämlich nur eine ganz bestimmte Erscheinungsform gemeint, nämlich der antidemokratische Rechtsextremismus mit der extremen Ausprägung des Faschismus oder Nationalsozialismus. Aufgrund der antidemokratischen Natur dieser Bewegung ist diese in Deutschland verboten. Andere rechte Bewegungen hingegen befinden sich im demokratischen Spektrum. Diese nehmen eine Ungleichheit aus unterschiedlichen Gründen bei Menschen an. Die klassisch Rechten sehen diese Ungleichheit allein z.B. durch Erbfolge begründet, wohingegen liberale Rechte eine Ungleichheit als gerechtfertigt sehen, sofern ein fairer Wettbewerb stattgefunden hat und sich im Ergebnis ein Zustand einstellt, der zu einer Ungleichheit zwischen Menschen führt².
Wer gegen rechts auf die Straße geht, sollte sich dessen bewusst sein, dass der überwiegende Teil unserer Gesellschaft liberal rechts ist. Davon ausgehend, sollte man schauen, welchen Teil von rechts man eigentlich mit einer Demonstration erreichen möchte. Anschließend sollte man sich bessere Plakate bauen, als welche mit der Aufschrift "gegen rechts". Denn wer gegen eine völlig legale und demokratische politische Strömung demonstriert, hat die Konzepte von Demokratie und Republik nicht verstanden. Hier wird politisch diskriminiert und versucht die Mündigkeit von Massen in einer Demokratie mundtot zu machen - das ist gleichermaßen demokratiefeindlich wie antidemokratischer Rechtsextremismus.
Sind die Rechten die Guten?
Das ist eine Frage, die nur jeder für sich selbst beantworten kann. Prinzipiell ist rechts einfach nur eine politische Ausrichtung, es gibt hier kein gut oder böse. Man sollte nur klar zwischen legaler politischer Tätigkeit/Meinung und antidemokratischen Extremen unterscheiden. Dabei ist eigentlich egal, ob es sich um rechte oder linke Strömungen handelt, die gegen die Demokratie vorgehen. Eines der linken extreme ist z.B. der Anarchismus, in dem es keinerlei übergeordnete Strukturen gibt, die beispielsweise dafür sorgen könnten, dass es etwas wie Chancengleichheit gibt. Letztlich braucht eine ausgewogene und stabile Demokratie immer rechte und linke Strömungen die sich mit einer guten Prise Liberalismus auf eine Form des Zusammenlebens einigen.
Gegen Rechtsextremismus
Immer. Rechtsextremismus, oder andere Formen von Extremismus sind in einer Demokratie keine Option und darüber hinaus nicht legal. Es ist auch völlig legitim gegen diese Extreme auf die Straße zu gehen und zu Demonstrieren. Es darf aber angezweifelt werden, dass sich die rechtsextreme Szene davon beeindruckt zeigt oder z.B. AfD-Wähler überhaupt angesprochen fühlen. Dass es nicht die schlauste Idee ist als Protestwähler die AfD zu wählen dürfte inzwischen bei den meisten angekommen sein. Dennoch erfreut sich die AfD nach wie vor über Stimmenzuwachs, wie kann das sein?
Nun, man könnte spekulieren, dass es nicht nur die Protestwähler sind, die ihr Kreuz bei der AfD setzen, sondern Menschen die sich aufgrund verschiedenster Gründe durch die AfD besser vertreten sehen, als durch andere politische Parteien. Das ist auch einfach, da die AfD mit ihrem Populismus und effizienter Nutzung von Social Media viel näher an den Menschen dran ist, als die großen, alten und eher rückständigen Parteien. Diese Parteien haben ihre Hausaufgaben einfach nicht gemacht und betreiben Politik an den Menschen vorbei³. Anstatt mit den Menschen in Kontakt zu treten und Social Media Kanäle für die neuen Möglichkeiten zu nutzen, die sich ergeben, gibt es weiter Infos von der Pressestelle an die klassischen und aussterbenden Printmedien. Zugegeben, bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Wählern die, wie die Politik, noch im letzten Jahrhundert festsitzen, ergibt es auch Sinn für diese große Wählergruppe auf die alten Medien zu setzen. Bedenklich ist aber, dass alle Generationen ab den Millennials einen Disconnect erleben, weil der Bezug zwischen der Politik und Bevölkerung nicht erkennbar ist. So fühlen sich diese Menschen von der Politik nicht gehört und nicht verstanden, weil sie die Politik nicht in den Kanälen wiederfinden, die sie täglich nutzen⁴.
Mit Rechts
Rechts, sofern es innerhalb der demokratischen Leitplanken bleibt, ist eine Strömung wie jede andere und muss in einem Land wie Deutschland von jedem als eine politische Meinung akzeptiert werden, das nennt sich Meinungsfreiheit. Schwierig wird es, wenn Rechts diskriminiert, sowie die Freiheit und Unversehrtheit anderer Menschen gefährdet. In diesem Fall sollte reagiert werden. Nur was sind geeignete Mittel? Einerseits sollte die Politik, wie bereits erwähnt, ihre Hausaufgaben machen und sich auf eine mehr interaktive Gesellschafts- und Politikform einlassen. Andererseits sollte jede Einzelperson nicht weg sehen oder -hören, wenn Grundrechte getreten werden. Häufig genug stellt man fest, dass Parolenschwinger einer Doktrin ausgesetzt waren, unter der man auch selbst zu den gleichen Fehleinschätzungen und somit Erkenntnissen gekommen wäre. Natürlich schmeckt uns so eine Aussage nicht, doch ist uns hoffentlich allen bewusst, dass wir nicht alle als liberale Denker geboren wurden, sondern aufgrund glücklicher Zufälle zu solchen geworden sind. Nutzt dieses Privileg. Sprecht mit den Menschen und teilt eure Sicht. Nur im Diskurs und mit viel Geduld bekommt man viele Falschaussagen von Rechtsextremen aus der Welt geschafft und aufgeklärt. Denkt bitte immer dran, dass wir alle Menschen sind und unsere ganz eigenen Ängste haben. Die einen haben Angst vor dem Fremden, die anderen haben Angst vor dem Rechtsextremismus der aus der Angst vor dem Fremden resultiert. Wenn nur noch Ängste sprechen, werden wir überhaupt nichts erreichen. Wir müssen diese Ängste überwinden, Vorurteilen abbauen (auch und gerade über Rechtsextreme) und einen Kompromiss finden, wie wir alle zusammenleben können.
¹ Um das kurz einzuordnen, das entspricht bei den 84,6 Millionen Menschen (Zahl von 2022) ungefähr 1,4 Prozent. Anders gesagt entspricht das bei einem jährlichen Wachstum der Bevölkerung von 0,3 Millionen der Anzahl von Menschen, die in drei Jahren auf die ein oder andere Weise nach Deutschland kommen. Dem entgegen stehen Stand der letzten Bundestagswahl 6,7 Millionen (10,3% bei 76,7% Wahlbeteiligung) AfD Wähler.
² Um das anschaulich zu machen: Es ist eine rechte Gesinnung, wenn man es in Ordnung findet, wenn man aufgrund von Investition in die eigene Bildung, einem Studium und harter Arbeit besser da steht als jemand anderes. Wenn man also seinen Wohlstand beibehalten möchte, wohlwissend, dass es anderen nicht so gut geht, ist das eine liberal-rechte Gesinnung. Die wenigsten, die etwas mehr haben als andere, werden auf die Straße gehen und die Regierung auffordern ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen um es den Leuten zu geben, die noch weniger haben.
³ Anders kann nicht erklärt werden, wie ein Land wie Deutschland einen Bundeskanzler haben kann, der in Veruntreuungsskandale (Stichwort CumEx) verwickelt ist und plötzlich Erinnerungslücken aufweist.
⁴ Es kommt nicht von ungefähr, dass Videos von Rezo durch die Decke gehen, wenn wieder Wahlen anstehen und man das große Fremdschämen bekommt, wenn ein Philip Amthor versucht zu kontern - und das selbst wenn man kein CDU-Wähler ist. Zumindest ist man hier alle vier Jahre wieder mal näher an den Wählern dran.
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