or kurzem habe ich ein Video mit Katrin Rabow über das Thema gendergerechte Sprache gesehen (Link dazu auf Twitter). Das Thema brachte mich ins Nachdenken, da es mir quasi täglich bei der Arbeit begegnet. Bevor ich nun aber meine Gedanken zum Besten gebe, möchte ich zunächst eine kurze Erklärung geben, um was es eigentlich geht:
In unserem täglichen Sprachgebrauch verwenden wir bis dato häufig Formulierungen, welche nicht geeignet sind Frauen und Männer in gleicher Weise anzusprechen und gleich zu stellen. In diesem Kontext findet man schnell zum "Male Bias", also die männliche Vorannahme, an. Ein Beispiel dafür, welches auch Frau Rabow anbringt ist z.B. das Wort Student. Das Wort Student bewirkt in manchen Köpfen die Assoziation eines männlichen Studenten und nicht etwa einer Studentin. Entsprechend wäre hier in der Ansprache eine alternative Formulierung sinnvoll. Varianten wie "Studentinnen und/oder Studenten", die Binnen-I Variante "StudentInnen" oder gleich eine vollständig neutrale Formulierung wie "Studierende".
Kurz gesagt: Wir sprechen von gendergerechten Sprache, wenn Frauen und Männer immer gleichermaßen (i.e. gleichberechtigt) angesprochen werden, sofern auch beide Gruppen gemeint sind.
Eine Schwierigkeit in der Umsetzung dieser gerechteren Sprache stellt das generische Maskulinum dar. Das generische Maskulinum bezeichnet die Tendenz die männliche Form eines Nomen zu verwenden, wenn das Geschlecht im Kontext unbekannt oder nicht relevant ist. Ein Beispiel: “Jeder isst gern Sushi”. Hier sind sowohl Weiblein als auch Männlein gemeint. Für mich klingt der Satz in der weiblichen Form (“Jede isst gern Sushi”) etwas holprig. Es liest oder spricht sich erst dann wieder flüssig, wenn man ein anderes Subjekt in den Satz einfügt, etwa “Jede Frau” oder "Jede Person". Das Kernproblem des generischen Maskulinum, sofern man eines damit hat, ist die Uneindeutigkeit in der Formulierung. Es ist oft nicht ersichtlich, ob die Formulierung beide Geschlechter beinhaltet oder nur männliche Personen anspricht/meint. Diese undeutliche - oder nennen wir es lieber fehlende explizite - Ansprache von Frauen kann als diskriminierend empfunden werden.
Als sprachlich interessierter Mensch, sehe ich in diesem Zusammenhang ein Thema bei der oftmals fehlenden
Unterscheidungen zwischen Rollen und konkreten Personen. Wir tendieren dazu für Rollen den generischen Maskulin
zu verwenden. Leider wird dann häufig nicht weiter differenziert, wenn es um konkrete Personen geht.
Zwei Beispiele:
- Für mich ist "der Lehrer" die Rolle des Lehrers, welche wahlweise von einer Lehrerin oder einem Lehrer eingenommen werden kann. Dennoch spreche ich von “den Lehrern”, wenn es um die Lehrenden meiner Kinder in der Schule geht, egal, ob wie das Geschlechterverhältnis dieser Personengruppe ist.
- Ein Student ist für mich eine Person, welche aktuell an einer Universität eingeschrieben ist. Das Wort "Studierende" würde ich selber nicht in den Mund nehmen, um die gleiche Gruppe zu beschreiben. Ich kannte und kenne genug StudentInnen, die es mit dem Kern des Studieren, also dem Anhäufen von Wissen, nicht so hatten/haben. Zu sagen, dass sie "studierend" sind, wäre die Unterstellung, dass sie tatsächlich etwas für ihren Abschluss tun. Genau das meine ich häufig explizit nicht.
Ein weiteres Thema, das die geschlechtliche Gleichbehandlung in der deutschen Sprache sehr schwer macht, sind Geschlechter bei Artikel und der damit einhergehende Geschlechter-Bias. Der Schuh ist männlich. Aber Hand aufs Herz, wenn man "der Schuh" sagt, denkt man doch primär an etwas, das man sich selbst über den Fuß stülpt, anstatt z.B. die kleinen Särge eines 2,4 Meter hohen amerikanischen Basketballspielers (no offence). Die Sonne ist weiblich aber was genau sagt uns das Geschlecht dieses Sterns? Nicht viel, denn obwohl viele Artikel willkürlich vergeben wurden, folgen die meisten einem Regelwerk, bei dem die Endung eines Wortes den Artikel bestimmt (z.B. Worte, wie “die Achtsamkeit”, welche auf “-keit” Enden sind meistens weiblich).
Ich sehe gendergerechte Sprache kritisch. Artikel bestimmen das Geschlecht eines Substantivs. Allerdings ist das, was wir uns unter einem Substantiv vorstellen gesellschaftliche Prägung. Wenn wir "der Vorstand" sagen, denken wir gerne an eine Gruppe von Männern. Die weibliche Form "Vorständin" ist im Sprachgebrauch selten. Vorstand bedeutet nämlich neben dem männlichen Mitglied des Vorstandes auch das Gremium einer Firma, welches prinzipiell aus mehreren Personen unterschiedlichen Geschlechtern bestehen kann. "Die Vorstehenden einer Firma" wäre eine gendergerechte Formulierung. Diese ist jedoch fern von der Praxis. Wir sollten uns stattdessen lieber ins Bewusstsein rufen, dass Vorstand eine Rolle ist, welche geschlechtsunabhängig eingenommen werden kann. Die Assoziation, dass es sich dabei um Männer handelt ist schlicht und ergreifend eine viel zu häufige Realität. Erst wenn es unsere Gesellschaft schafft dieses Problem zu beheben, werden sich auch die Assoziationen in den Köpfen der Menschen zu diesen Worten anpassen. Entsprechend sehe ich gendergerechte Sprache eher als Problem bzw. als eine Fehlreaktion auf ein tiefer liegendes gesellschaftliches Problem. Dieses Problem kann meiner Meinung nach nicht durch angepasste Sprache behoben werden. Sprache folgt den gesellschaftlichen Gegebenheiten und nicht anders herum. Deshalb ist es mir egal, ob ich als Informatikerin, Informatiker oder InformatikerIn bezeichnet werde. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass das Binnen-I in Schrift ganz gut funktioniert, in Sprache aber dazu führt, dass wir anstatt eines "Male bias" einen "Female bias" haben. Korrekterweise müsste man also das Wort "StudentIn" als "Studentinnen und Studenten" vorlesen, andernfalls sehe ich hier keine gendergerechte Sprache.
Nicht zuletzt sehe ich eine große Gefahr in der Verkomplizierung von Sprache durch korrektes gendern und gerechte Sprache. Wenn wir optimistisch davon ausgehen, dass Personen gendergerechte Sprache einsetzt, muss man im Umkehrschluss davon ausgehen, dass jede nicht korrekt gegenderte Formulierung nur den jeweilig weiblichen oder männlichen Anteil meint. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie schmal der Grat ist, den wir dann künftig in Gesprächen wandern, weil man aus Versehen nicht inklusiv gesprochen hat. Ich persönlich lasse mich dann lieber wahlweise als generisches Femininum oder Maskulinum inkludieren, als dass ich jedes Wort dreimal umdrehen muss, um ganz bestimmt niemandem auf die Füße zu treten. Mir ist wichtiger, dass wir lernen miteinander zu kommunizieren, bevor wir die Kommunikation maßregeln. In den meisten Berufen ist das Problem nicht die Abwesenheit von inklusiver Sprache ist, sondern die Abwesenheit von Kommunikation. Die großen Probleme entstehen dort, wo nicht kommuniziert wird. Zusätzliche Komplexität in unserer Sprache trägt nicht dazu bei, dass wir mehr miteinander Sprechen werden.
Frau Rabow betont mehrfach, dass Frauen deutlich sensibler auf Nuancen in der Sprache reagieren. Das halte ich für persönlich für ein Vorurteil, das darauf beruht, dass es angesichts unserer aktuellen Sprachsituation keine umgekehrten Studien zu diesem Thema gibt. Ich bin überzeugt, dass Frau Rabow das in guter Absicht sagt. Was mir allerdings in dieser Art von Diskussion fehlt, ist, wie so häufig, die Frage nach non-binaries, also Personen die sich weder als Frau noch als Mann identifizieren. Wir sprechen über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, anstatt darüber wie Sprache gerecht für alle Menschen werden kann. Zugegeben, ich stelle mir das schwierig vor, alle möglichen Varianten in unserer Sprache unterzubringen. Gibt es demnächst z.B. sowas wie ein “Binnen-X”, das diese Personen berücksichtigt (z.B. Liebe StudentXInnen)? Das erscheint mir doch schon sehr absurd, zumal ich nicht weiß, ob dieser Personenkreis mit einer solchen Variante überhaupt einverstanden wäre.
Zusammenfassend denke ich, dass wir zunächst mehr miteinander sprechen sollten, bevor wir uns darüber unterhalten wie wir miteinander sprechen. Ohne dass wir miteinander sprechen erübrigt sich das “Wie” und es kann auch keine offene Diskussion darüber entstehen. Letztlich sehe ich in jeder Form von Kommunikation an erster Stelle eine Intention. Wenn die Intention der Kommunikation von der richtigen Stelle im Herzen kommt, ist mir die Wortwahl und das Geschlecht der Formulierung tatsächlich egal. Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir unsere Gesellschaft dahingehend beeinflussen, dass die Assoziationen in unseren Köpfen nicht mehr von Geschlechterrollen dominiert werden. Wir sollten Gleichstellung in alle Richtungen ernst meinen und nicht Quoten einführen. Und wenn wir dann - irgendwann - bereit sind ernsthaft über gerechte Sprache zu sprechen, wünsche ich mir, dass wir von unserem binären Gedankengut Abstand nehmen und alle betroffenen Parteien an den Gesprächstisch holen und nicht etwa die Lautesten; und Sprache betrifft uns alle.
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